Sachsentrail – Traildebüt auf Grenzwegen

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Die Entscheidung fiel auf der Treppe. Einige von Euch haben vielleicht mein Treppenabenteuer mitbekommen. Eine verzweifelte Nachricht von Maty am Morgen und zack – stieg ich von der Küchenhilfe zum Treppenengel auf. Und es hat mich geflasht und zwar so richtig. Diese Atmosphäre beim Mount Everest Treppenmarathon war gigantisch. Und mir war klar – das ist es. Das ist meins, hier gehöre ich hin.

Wenn man Ultraläufer*in werden will, dann sollte man auch Trailläufer*in werden. Klar, es gibt auch Ultraläufe, die nicht in den Bergen stattfinden, wie zum Beispiel den Mauerweglauf in Berlin. Aber man ist wettkampftechnisch limitiert, wenn man „nur“ Straßenultraläufer*in ist. Und ich will nicht limitiert sein, denn ich habe vor, dieses Ultralaufen langfristig zu betreiben.

Nun bin ich auf dem platten Land groß geworden. Jetzt wohne ich in Berlin. Ich konnte Berge beim Laufen eigentlich noch nie leiden. Nicht besonders gute Voraussetzungen, um Ultratrailläuferin zu werden. Aber wer hat gesagt, dass der Weg dorthin einfach ist?

Also, ab in den Grunewald und üben, üben, üben. Das habe ich seit dem METM getan. Ich bin 1-2 Mal in der Woche zum Grunewald gefahren und den Teufels- und Drachenberg rauf und runter gelaufen. Das war schwer, besonders am Anfang. Ich bin viel gewandert und bei den Downhills tausend Tode gestorben. Aber je mehr ich dran blieb, desto schneller spürte ich auch die Erfolge. Es wurde besser. Ich kam die Hügel deutlich besser hoch und runter. Natürlich bin ich langsamer als meine Trailfreund(e)*innen, die mir auf gemeinsamen Trailläufen regelmäßig davonrennen. Und ich weiß, dass es ein langer Weg ist bis ich selbst über die Trails schwebe. Aber ich bin heiß darauf, diesen Weg zu gehen und das ist es, worauf es ankommt.

Der Weg zum zum Trailrunning-Wettkampf

Nach ein paar Wochen Trailtraining habe ich mich dann getraut. Ich habe mich für den Sachsentrail am ersten Juli-Wochenende angemeldet. Beim Sachsentrail werden verschiedene Distanzen angeboten: Der Ultratrail umfasst 70,3km und 1810 Höhenmeter. Der Halftrail 34,4km und 910 Höhenmeter. Außerdem gibt es noch den Quartertrail über 19km / 490 Höhenmeter, sowie den Funtrail über 9,4km / 295 Höhenmeter. Der Halftrail schien für mich perfekt: Noch nicht zu lange Distanzen und zu viele Höhenmeter, aber zum Traileinstieg trotzdem eine ordentliche Herausforderung.

Wie bereits erwähnt verlief das Training für den Sachsentrail recht ordentlich. Verbesserungen auf dem Trail habe ich schnell gespürt. Die Höhenmeter im Training habe ich versucht von Woche zu Woche zu steigern – gut 700 Höhenmeter waren das Maximum, was ich in einer Einheit gelaufen bin. Damit fühlte ich mich gut vorbereitet, um den Halftrail zu meistern. Großen Respekt hatte ich trotzdem. Als wir am Samstagmorgen ins Erzgebirge fuhren, ging mir entsprechend die Düse. Das waren richtige Berge! Normalerweise bin ich am Racemorgen extrem hibbelig und voller Vorfreude. Nicht so am Morgen des Sachsentrails – ich war extrem angespannt und in mich gekehrt.

Am Rabenberg, dem Start-/Zielort angekommen, wurde meine Nervosität nicht weniger. Da liefen nur diese austrainierten, dünnen Trailfreaks rum. Was wollte ich hier noch mal?!? Carsten musste schon ordentlich Händchen halten. Aber wer mich kennt, weiß, dass ich ein Wettkampftier bin. Keine Ahnung warum, aber auf meine mentale Stärke kann ich mich am Racetag fast immer verlassen. Also Ruhe bewahren und freuen auf das, was kommt. Wunderbar, dass wir vor dem Start auch noch Isabell trafen, die nicht weniger angespannt war. Als ich mit Isabell im Startblock stand, klopfte mir auch noch Thomas auf die Schulter. Toll, diese kleine, feine Trailwelt!

Wettkampfbericht – Zum ersten Mal mit Startnummer im Wald

Da ich bei meinem ersten Trailwettkampf keine Ahnung hatte, was mich erwartet, war klar, dass ich den Lauf erstmal sehr defensiv angehen würde. Lieber einen Tick zu langsam starten, als nach hinten raus einzugehen. Also ließ ich es auf den ersten Metern gemütlich angehen, als wir gleich eine kleine Steigung nehmen mussten. Auf den anfänglichen Hügel folgte ein langer Downhill. Es ging ca. 4 km auf teilweise sehr anspruchsvollen Singletrails hinunter. Auch hier ließ ich noch eine Hand voll Läufer*innen passieren. Bloß nicht zu übermotiviert angehen. Trotzdem passierte mir bei Kilometer 4 das Malheur, dass ich für einen kurzen Moment beim Auftreten die Kontrolle über meinen rechten Fuß verlor und dieser fürchterlich wegknickte. Ein heftiger, stechender Schmerz durchfuhr mich und ich dachte: Das war’s. Der Läufer hinter mir hatte mein Umknicken auch bemerkt. Er fuhr mich an: „Setz die Füße richtig auf!“ Ich musste mich erstmal sammeln und den Schock verarbeiten. Bei jedem Schritt schmerzte mein Fuß stark. Ich erinnerte mich an meine spezielle Erfahrung in Tokio vom vergangenen Jahr, als ich beim Stadtbummel fürchterlich umknickte und danach nicht mehr auftreten konnte. Eine Woche später finishte ich den Tokio Marathon erfolgreich. Also immer positiv bleiben – vielleicht lässt der Schmerz wieder nach, erstmal vorsichtig weiterlaufen. Und tatsächlich, wenige Kilometer später hatten die Schmerzen im Fuß deutlich nachgelassen und mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen.

Es ging weiter über Stock und über Stein. Der Trail war wirklich sehr abwechslungsreich. Kaum ein Streckenabschnitt, bei dem ich nicht hochkonzentriert darauf achten musste, wo ich meine Füße aufsetzte. Aber je weiter ich vorwärts kam, desto wohler fühlte ich mich. Beim zweiten Verpflegungspunkt nach 13 km begrüßte mich ein bekanntes Gesicht. Christian war zwei Tage zuvor die Strecke des Sachsentrails abgelaufen und hatte die Streckenmarkierungen angebracht. Da ich vor dem Start bei ihm nachgefragt hatte, ob die Strecke auch idiotensicher markiert war, erkundigte sich Christian bei mir danach. „Bisher ja“ antwortete ich ihm und machte mich lachend wieder auf den Weg. Nun sollte der für mich schwierigste Streckenabschnitt kommen: Der ehemalige Grenzgraben zu Tschechien, nur einen Fuß breit. Dieser zog sich schier endlos, geschätzte 2-3 km über den Halftrail. Richtiges Laufen war hier nicht möglich, überholen auch nicht. Es staute sich. Und auch die Läufer*innen vor und hinter mir wurden mit jedem Schritt genervter. Doch dann hatten wir den Grenzgraben endlich passiert. Dass wir nun wieder „richtig“ laufen konnten, war wie eine Befreiung.

Der nächste Verpflegungspunkt ließ nicht lange auf sich warten und ich nutzte die Gelegenheit, mir und meiner Seele mit einem Stück Kuchen etwas Gutes zu tun :-) Trotzdem hielt ich mich nicht allzu lange am Verpflegungspunkt auf. Ich wollte unbedingt an den vor mir Laufenden dran bleiben, denn immer jemanden vor sich zu haben, hatte sich auf der ersten Streckenhälfte mental ausgezahlt. Es ging weiter über teilweise vom Regen der Vortage sehr aufgeweichte Waldwege. Zwischenzeitlich war ich froh, dass ich meine Trailschuhe doch recht fest zugeschnürt hatte. Die Gefahr einen Schuh im Schlamm zu verlieren war durchaus gegeben.

Auf dem Weg zum nächsten Verpflegungspunkt ging ich ein wenig in mich. Wie erschöpft bin ich? Was macht der umgeknickte Fuß? Habe ich mir meine Kräfte gut eingeteilt? Was macht die Muskulatur? Erfreulicherweise konnte ich alle Fragen positiv beantworten. Natürlich merkte ich die Kilometer, die ich bereits in den Beinen hatte. Aber meine Muskulatur war noch locker und ich fühlte mich auch noch recht frisch. Mein Fuß schmerzte noch leicht, aber ich war mir sicher, dass zumindest ein Finish nicht in Gefahr war.

Und dann erreichte ich auch schon den nächsten Verpflegungspunkt. Von hier aus waren es nur noch 9 km bis ins Ziel. Ich fühlte mich immer noch wunderbar. Mit jedem Kilometer mehr in den Beinen, verlor ich meinen Respekt (im positiven Sinne) vor diesem Trailrun. Ich begann Läufer*innen zu überholen. Besonders auf den Downhills merkte ich, dass ich immer besser voran kam und eine(n) nach dem/der anderen Läufer*in einkassierte. Ich sah, dass viele Läufer*innen doch stark mit Ermüdungserscheinungen zu kämpfen hatten. Mir ging es prima und ich wusste jetzt schon, dass ich mit meinem defensiven Start alles richtig gemacht hatte. Das pushte mich enorm und die Glückshormonproduktion ob der bereits absolvierten Distanz wurde dadurch noch mehr angekurbelt :-)

Jetzt galt es, das „Endbeschleunigungstempo“ weiter zu halten, dabei aber natürlich nicht die Konzentration zu verlieren. Außerdem lagen auch noch ein paar fiese Steigungen vor mir. An diesen wurde jetzt viel gewandert – ich hingegen schaffte es, das Wandern auf ein Minimum zu reduzieren, derweil ich weitere Läufer*innen einholte. Am letzten Verpflegungstand kurz vor Kilometer 30 nahm ich noch einen letzten Schluck Wasser, bevor es dann in die abschließenden, sehr harten letzten Kilometer ging. Natürlich wusste ich vorher nicht, dass am Ende noch einmal ein schier endloser Berg zu bewältigen war. Hier vermischten sich jetzt auch die Ultra- und Halftrailläufer*innen und die Strapazen der vollen Distanz waren den Ultraläufer(n)*innen deutlich anzusehen. So konnte ich mich weiter an ein paar Läufer*innen herankämpfen. Der letzte Berg war lang und hart, aber der Blick auf meine Uhr und die bereits absolvierte Distanz setzte noch einmal letzte Kräfte in mir frei. Ich hatte es fast geschafft, das Ziel war nicht mehr weit. Ja, so fies dieser letzte Berg war, ich muss gestehen, ich genoss es, mich diesen Berg hochzukämpfen. Dann ging es plötzlich auf Asphalt, dort waren Zuschauer*innen, die mich anfeuerten und mir zuriefen, dass es nur noch 400 Meter bis ins Ziel seien. Wahnsinn. Das ging auf einmal so schnell. Noch mal eine letzte kleine Steigung ins Ziel, vom Parkplatz rief plötzlich jemand „Hannah, Wahnsinn, super!“ – es war Thomas, der mich ins Ziel schrie. Was für ein Hochgefühl, so eine tolle Anfeuerung auf den letzten Metern von einem erfahrenen Ultraläufer zu bekommen, zu dem ich nur hochschauen kann und vor dem ich den allergrößten Respekt habe!

Auf den letzten Metern wartete Carsten mit der Kamera auf mich, dynamisches Laufen für ein schönes Zielfoto habe ich allerdings nicht mehr zustande gebracht :-) Das tat meinem Hochgefühl im Ziel allerdings keinen Abbruch. Ich hatte es geschafft. Mein erster Trailwettkampf! Mit einer Zielzeit von 4:13 Stunden wurde ich 17. Frau und 5. in meiner Altersklasse. Im Ziel traf ich dann auf Isabell, die kurz vor mir gefinisht hatte. Außerdem konnte ich (wie erwartet) Nolle zum Sieg bei den Frauen gratulieren. Auch ihr Mann Holger belegte eine Top 10 Platzierung. Nicht zu vergessen Peter, den ich auf der Treppe kennengelernt habe. Peter hatte locker flockig den Ultratrail absolviert, Wahnsinn.

Sachsentrail_Zielfoto

Wie geht’s weiter mit dem Trailrunning?

Der Sachsentrail war für mich ein toller Einstieg in die Trailszene. Ich kann dieses Event nur weiterempfehlen. Die Organisation ließ nichts zu wünschen übrig, die Strecke war sehr abwechslungsreich und durchaus anspruchsvoll (dies bestätigten mir die erfahrenen Trailläufer*innen – ich als Trailrookie kann das ja nur schwerlich bewerten). Außerdem bietet der Sachsentrail sowohl für erfahrene Ultraläufer*innnen, für ambitionierte Traileinsteiger, als auch für Läufer*innen, die in den Trail reinschnuppern wollen, die richtige Distanz an. Wenn es terminlich passt, bin ich  im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder dabei!

2 Kommentare
  1. Dominik sagte:

    Das liest sich super! Mein großen Respekt – nicht nur für das Ergebnis, sondern auch für die Zielstrebigkeit im Training. Ich müsste eigentlich auch regelmäßig in den Grunewald raus, wenn es nicht so umständlich wäre… Bist Du mit der Bahn hin, oder mit dem Auto?

    So oder so: feine Leistung…

    Antworten
    • Hannah sagte:

      Hi Dominik,
      vielen Dank! Wir kommen ja aus derselben Ecke, auch für uns ist das Rausfahren in den Grunewald recht aufwendig. Wir fahren normalerweise mit dem Auto raus, ist einfach angenehmer, wenn man die Klamotten im Auto parken kann und man ist natürlich flexibler. Ich fahre auch einmal in der Woche direkt von der Arbeit aus zum Grunewald – das ist auch eine recht weite Fahrt, aber es hilft in Bezug auf die Selbstdisziplin :-) Mir macht das Traillaufen sehr viel Spaß, auch wenn ich noch absolut untrainiert auf dem Trail bin. Sag Bescheid, wenn Du Dich mal uns anschließen magst, ich finde gerade auf dem Trail hilft es sehr, wenn man im Training regelmäßig in der Gruppe unterwegs ist.
      Liebe Grüße,
      Hannah

      Antworten

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