„You’ll never run alone“
„You’ll never walk alone“ – das ist wohl DER Satz, der den meisten Sportbegeisterten einfällt, wenn es um die Stadt Liverpool geht. Als begeisterte Läufer und Fußballfans entschieden wir uns das Motto „You’ll never walk alone“ einfach mal für uns in „You’ll never RUN alone“ anzupassen.
Also haben wir unsere Koffer samt Laufschuhe gepackt und uns auf den Weg in eine der traditionsreichsten Fußballstädte Englands gemacht. Neben dem Rock’nRoll Marathon Liverpool sollte der Trip uns auch ein paar Tage Urlaub und Erholung bescheren. Am späten Donnerstagabend erreichten wir Liverpool. Leider wies unser Hotelzimmer zwei klare läufertechnische Mängel vor: 1. Die Bettmatratze war noch aus dem 19. Jahrhundert. 2. Unser Zimmer ging zu einer der Partystraßen der Stadt raus. Aber frei nach dem Motto unseres anstehenden Laufes haben wir uns einfach jede Nacht in den Schlaf gerockt und auf ausreichenden Schlaf gepfiffen – schlafen können wir immer noch genug wenn wir nicht mehr laufen können!
Nach einem Stadtorientierungs-Freitag trafen wir uns am Samstagvormittag mit einer Reisegruppe aus Köln (wir sind mit einem der Organisatoren befreundet), um uns auf den Weg zur geplanten Stadiontour an der legendären Anfield Road zu machen. Ich habe zu diesem Anlass übrigens darauf verzichtet, mein Fortuna-Trikot zu tragen.
Die Stadiontour war für uns interessant – nicht weil wir die Tour an sich toll fanden, sondern weil es die Erfahrung wert war zu sehen, wie sehr der Fußball in England gehyped wird. Zudem waren wir von der enormen Professionalisierung des Trainingsalltages der Liverpool-Spieler fasziniert. Die Professionalisierung beinhaltet allerdings auch die komplette Entmündigung der Fußballer: Sobald diese sich zu ihrem Arbeitsplatz begeben, geben sie jede Art der Eigenverantwortlichkeit in die Hände von Trainern, Betreuern, Physiotherapeuten, Ärzten, Sportwissenschaftlern und Psychologen. Jede Bewegung wird aufgezeichnet und ausgewertet, nichts wird dem Zufall überlassen.
Nach der Stadiontour hieß es für uns langsam runterfahren und die Beine schonen. Unser Carboloading haben wir dann am frühen Abend im italienischen Restaurant von Jamie Oliver mit leckeren Pasta vollzogen.
Am Sonntagmorgen begaben wir uns voller Vorfreude zu den Albert Docks, wo sich der Start des Rock’nRoll Marathons befand. Carstens Start des Halbmarathons war bereits um 8 Uhr, der Marathon, der für mich auf dem Plan stand, sollte um 9 Uhr beginnen. Das Wetter war perfekt: kühle Temperaturen bei zwischenzeitigen Sonnenphasen ohne heftigen Wind. Wie wir während unserer Tage in Liverpool selbst erfahren durften, war das beinahe windstille Wetter alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Auch der befürchtete Regen fiel während unserer Läufe komplett aus und so waren wir dem Wettermenschen wirklich sehr dankbar für sein feines Händchen.
Um 8 Uhr wurde Carsten mit lauter Musik in Begleitung von 3500 Halbmarathonis auf seine Runde geschickt. Von da an hieß es auch für mich unmittelbare, mentale Vorarbeit für den zweiten Marathon meines Lebens zu leisten. Da es noch sehr kühl war, nutzte ich die Möglichkeit, mich in der Echo-Arena warm zu halten. Dabei war es für mich optimal, dass die vielen Toiletten in der Arena alle genutzt werden konnten und ich so meinen letzten Toilettenbesuch vorm Lauf in aus Läufersicht komfortabler Weise vollziehen konnte.
„Run and Rock“ war dann auch mein persönliches Motto für meinen zweiten Marathon. In den Wochen und Monaten vor Liverpool hatte ich einige gesundheitliche Hindernisse überwinden müssen. So galt für mich auch von Anfang bis Ende nur eines: Spaß haben und finishen. Die Zeit war mir wirklich völlig egal. Umso überraschter war ich, wie gut der Lauf lange Zeit lief. Ich hatte unglaublich Durchgangszeiten. Die Halbmarathondistanz durchlief ich nur wenige Sekunden über meiner Halbmarathonbestzeit. Irgendwo zwischen Kilometer 30 und 35 wurde ich von der 3:45er Gruppe überholt. Mir war zu diesem Zeitpunkt gar nicht bewusst, auf was für einem Kurs ich war, da Kilometerangaben nur alle 10km vorhanden waren und der Lauf ansonsten in Meilen ausgezeichnet war. Ich hatte mich zuvor nicht mit der Umrechnung von Meilenzeiten beschäftigt. Ich war einfach locker flockig an den Start gegangen.
Bis Kilometer 35 lief es wahnsinnig gut und trotz vieler Berge, die wir erlaufen mussten, hatte ich riesigen Spaß. Bei Kilometer 35 kam dann allerdings der Mann mit dem Hammer. Plötzlich merkte ich die Ermüdung meines Körpers und spürte die Schmerzen in meinen Beinen. Die letzten 7 Kilometer wurden somit noch einmal hart und ich nahm deutlich das Tempo heraus und legte insgesamt 3 Gehpausen ein. Dafür habe ich mich im Nachhinein verflucht, da diese nicht notwendig gewesen wären und mich am Ende um eine sub4er Zeit gebracht haben. Da ich aber durch die Meilenangaben komplett die Übersicht verloren hatte, war mir nicht klar, dass ich locker unter 4 Stunden bleiben würden, wenn ich ein wenig auf die Zähne beiße.
Trotzdem lief ich überglücklich nach 4:01:11 Stunden mit einem fetten Lächeln ins Ziel. Ich hatte den Marathon geschafft und dabei unglaublich viel Spaß gehabt. Dass ich die sub4er Zeit verpennt habe, konnte ich nach dem Lauf auch gut weglächeln, denn ich weiß, dass die sub4 nur eine Frage der Zeit ist. Schon Ende September in Berlin werde ich die sub4 knacken!
Alles in allem hat uns der Rock’nRoll Marathon in Liverpool sehr gut gefallen. Es war toll in einem anderen Land die Atmosphäre eines Laufevents zu erfahren und diese in sich aufzusaugen. Auffallend war, dass deutlich mehr Frauen am Start waren, als dies normalerweise in Deutschland der Fall ist. Ideal war die Verpflegung: Statt der gewohnten Wasserbecher bekamen wir an jeder Verpflegungsstelle kleine Wasserflaschen gereicht. Somit konnte man deutlich mehr Flüssigkeit an den jeweiligen Verpflegungsständen zu sich nehmen – ein Traum! Außerdem wurden an einigen Verpflegungsstellen Powerbar-Gels und Sportgetränke gereicht. Ein Manko waren aber die angekündigten Rockbands: Der Lauf wirbt mit Rockbands, die sich angeblich an jeder Meile befinden. Dies war bei weitem nicht der Fall.
Die Strecke war sehr anspruchsvoll, da wir diverse Steigungen nehmen mussten. Auf dem ersten Teil der Strecke umrundeten wir das Stadion des FC Everton und einen Teil der Anfield Road – ein tolles Lauferlebnis. Außerdem liefen wir durch diverse Parks. Erstaunlich dabei war, dass die Strecke in den Parks teilweise gar nicht ausgezeichnet war. Also galt die Devise „immer dem Vorderläufer folgen“. Auch in der Innenstadt in Liverpool war die Strecke teilweise nur provisorisch markiert. Diese entspannte Art des Umgangs mit einem Marathon hat uns sehr gut gefallen. Keine großen Absperrungen, keine nervigen Sicherheitsvorkehrungen, ganz nach unserem Geschmack.
Abschließend bleibt festzustellen: Wir hatten ein paar sehr schöne Tage in Liverpool. Der Rock’nRoll Marathon hat großen Spaß gemacht und daher konnten wir auch ein Auge zudrücken, dass der Lauf weniger Rock und mehr Roll bot. Mir hat der Lauf viel gegeben, insbesondere Motivation für weitere Bestzeiten. Sub4, ich komme!!
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