Von 15 Zigaretten am Tag zum ambitionierten Marathonläufer – Teil 1
Sascha war einer unserer ersten Schützlinge. Wir haben ihn vor 3 Jahren auf dem Weg zum Berlin Marathon betreut. Vor einiger Zeit hat uns Sascha in Berlin besucht und hat uns ein Interview gegeben. Im ersten Teil sprechen wir über seine Laufanfänge und wie er den Sport mit Job und Familie in Einklang bringt.
Coaches: Lieber Sascha, erzähl doch einfach mal ein bisschen, seit wann Du schon läufst und was Du schon alles über Dich hast ergehen lassen oder besser gesagt über Deine Beine!
Sascha: Wo fängt man da an? Vom Laufen komme ich grundsätzlich nicht. Ich habe als Kind Fußball gespielt. Irgendwann habe ich aber den Kontakt zum eigenen Sport verloren.
Aber ich hatte immer die fixe Idee, einmal Marathon zu laufen. Was mit 15 Zigaretten am Tag eher schwierig war. Um meinen 30.Geburtstag herum habe ich dann entschieden, dass ich etwas ändern möchte. Also bin ich losgezogen und habe mich einfach mal aufs Laufband gestellt. Ich war doch recht erschrocken zu sehen, wie krumm und schief ich lief. Ich habe mir dann Laufschuhe gekauft und bin einfach losgelaufen. Das endete damit, dass ich nach etwas mehr als einem Kilometer 20 Minuten nach Luft ringen musste. Das war im Sommer 2014.
Dann habe ich einfach ganz blauäugig meine Runden gedreht und kam schnell auf 3-5 Kilometer. Mein Ehrgeiz war geweckt und ich meldete mich für meinen ersten 10 Kilometer-Lauf im September an. Als ich dort unter einer Stunde blieb, war ich stolz wie Bolle. Leider habe ich gemerkt, dass man auf dem Niveau noch weiter rauchen kann. Das hat mich geärgert, vor allem weil meine Frau es geschafft hatte aufzuhören. Also habe ich mich für den Halbmarathon im April 2015 in Hannover angemeldet.
Mehr als 2 Stunden habe ich für meinen ersten Halbmarathon gebraucht. Ich war wahnsinnig glücklich und wusste: Das will ich weitermachen. Blöderweise schafft man auch den Halbmarathon mit Kippe. Da war die logische Konsequenz: Ein Marathon muss her. Ich meldete mich für den Köln Marathon im Oktober 2015 an.
Im Zuge der Marathon-Vorbereitung habe ich tatsächlich mit dem Rauchen aufgehört und nur 15 Monate, nachdem ich mir überhaupt das erste Mal Laufschuhe gekauft habe, bin ich meinen ersten Marathon gelaufen.
Coaches: Hast Du Dich für Deinen ersten Marathon nach einem Plan vorbereitet?
Sascha: Das war sehr chaotisch. Ich habe im Internet ein bisschen recherchiert. Ich kannte niemanden, der läuft, schon gar nicht solche Distanzen. Ich habe versucht mich vorzubereiten. Aber wenn man niemanden hat, den man fragen kann, ist das schwierig. Wenn man “Marathon-Trainingsplan” googelt, bekommt man zig verschiedene Trainingspläne, die teilweise sehr unterschiedlich aussehen. Ich habe nach einem programmierten Trainingsplan, der mir Zeiten ausgegeben hat, trainiert. Aber ich habe schnell gemerkt, dass das überhaupt nicht passt. Im Rückblick kann ich sagen: Da haben weder die Distanzen, noch die verschiedenen Tempovorgaben gepasst.
Coaches: Waren die Distanzen zu lang oder zu kurz?
Sascha: Für einen Anfänger wie mich viel zu lang. Natürlich muss ich aus heutiger Sicht sagen, dass es nicht die beste Idee war, 15 Monate nachdem ich angefangen habe zu laufen, einen Marathon zu absolvieren.
Coaches: Weißt Du noch, was damals die längste Distanz war, die Du in Vorbereitung auf Deinen ersten Marathon gelaufen bist?
Sascha: 30 Kilometer bin ich vor meinem ersten Marathon nie gelaufen. Ich habe es einfach nicht gepackt. Es hätte zwar auf dem Plan gestanden, aber ich war körperlich dazu nicht bereit. Ich bin die langen Läufe immer zwischen 20 und 30 Kilometern gelaufen. Nichtsdestotrotz war es für mich keine Option den Marathon nochmal aufzuschieben, denn ich wollte das Projekt Marathon unbedingt durchziehen.
Coaches: Wie war dann Dein erster Marathon? Wie hast Du Dich gefühlt und wie hast Du den Lauf erlebt?
Sascha: Ich war furchtbar aufgeregt. Am Freitagabend vor dem Marathon hatte ich das Gefühl ich bekomme eine Erkältung und am Samstag fühlte ich mich einfach nur furchtbar matt und müde. Ich dachte, ich kann am Sonntag nicht starten. Sonntagmorgen bin ich in aller Herrgottsfrühe aufgewacht mit dem Gefühl: Mensch, so fit hast Du Dich noch nie gefühlt.
Natürlich bin ich zu schnell angegangen. Glücklicherweise konnte ich aber relativ schnell einen vernünftigen Rhythmus finden, bei dem ich mich gut gefühlt habe. Leider meldete sich bei Kilometer 12, 13 mein rechtes Knie (da laufe ich ohne vorderes Kreuzband). So entwickelte sich zunehmend ein ziemlich fieser Schmerz, so dass ich nach der Hälfte der Distanz bei jedem Schritt das Gefühl hatte, ein Messer ins Knie gestochen zu bekommen. Ich bin dann die zweite Hälfte hauptsächlich gegangen. Ich habe zwar immer wieder versucht anzulaufen, aber das hat überhaupt nicht geklappt. Es war eine Quälerei und eigentlich hätte ich aussteigen müssen, aber das war für den ersten Marathon für mich keine Option. Am Ende kam ich knapp unter 5 Stunden ins Ziel.
Coaches: Wie war das Erlebnis für Dich einen Marathon zu finishen? Was waren Deine ersten Gedanken danach? War es das klassische “Nie wieder!” direkt nach der Ziellinie? Oder war bei Dir gleich der Gedanke, dass Du das auf jeden Fall wieder machen möchtest?
Sascha: Ich schäme mich nicht zu sagen, dass ich im Ziel Tränen in den Augen hatte. Dass ich das durchgezogen habe, hat mir viel gebracht. Ich war völlig kaputt, habe aber auch gemerkt, dass das Gefühl im Ziel einfach der Wahnsinn ist. Und mir war sofort klar: Ich will das nochmal erleben.
Coaches: Hast Du Dir nach der Entscheidung, wieder Marathon zu laufen, Gedanken darüber gemacht, dass Du ambitionierter trainieren willst? Oder hast Du erstmal so weitergemacht wie vorher?
Sascha: Eine Mischung aus beidem. Ich habe immer noch keine Konsequenz gezogen mir einen Coach zu suchen. Ich wusste, dass die Umfänge nicht gepasst haben und habe versucht mich in die Literatur einzulesen. Ich war ja ein völliger Anfänger, was das Laufen angeht. So habe ich einen groben Fehler gemacht: Ich habe nicht konsequent trainiert, sondern eine zu lange Pause im Winter gemacht. Dadurch haben mir die Grundlagen gefehlt.
Ich habe mich dazu entschlossen mich für den Marathon im Frühjahr 2016 in Hannover anzumelden. Mein Ziel war es, den Marathon durchzulaufen und schneller zu sein, als in Köln. Ich habe 4:15 Stunden als Zielzeit anvisiert. Das hat nicht geklappt, weil Grundlagenausdauer und Stabitraining fehlten. Daher habe ich muskuläre Probleme bekommen. Trotzdem war ich am Ende eine gute halbe Stunde schneller als in Köln.
Coaches: Du hast drei Kinder. Wie schaffst Du es Job, Familie und Marathon laufen zu vereinbaren?
Sascha: Das musste sich erstmal finden, weil es für die Familie ungewohnt war, dass Papa auf einmal die Sportklamotten anzieht. Das kannten die Kids gar nicht. Ich hatte zwar zwischenzeitlich nochmal versucht Fußball zu spielen, aber wurde von zwei Kreuzbandrissen endgültig zum Karriereende gezwungen.
In der Woche ist es in der Regel so, dass ich abends laufen gehe. D.h. ich komme von der Arbeit, sehe meine Familie, die zu Abend isst und danach gehe ich laufen. Am Wochenende bin ich Zuhause mit Langschläfern gesegnet, d.h. da kann ich auch mal einen Kilometer mehr laufen, ohne dass ich den Tagesablauf durcheinander bringe.
Ich muss natürlich sagen, dass zu Beginn die Umfänge, die ich in der Woche gelaufen bin, noch nicht so groß waren, dass ich lange weg war. Die Läufe in der Woche betrugen 5-7 Kilometer. Das kostet natürlich nicht so viel Zeit, als wenn man jetzt mit einem ambitionierten Trainingsplan unterwegs ist und auch durch die Woche Läufe jenseits der 10 Kilometer auf dem Plan stehen hat. Also damals ging das noch sehr gut.
Coaches: Und wie siehts heute aus?
Sascha: Mittlerweile ist es so, dass ich mir eine Wochen- und Tagesplanung mache. So ist es auch schon mal vorgekommen, dass ich Montag Morgens um halb 5 aufgestanden bin, um laufen zu gehen, anschließend zur Arbeit zu fahren und Nachmittags Zeit für die Familie zu haben. Generell laufe ich in der Woche jetzt Morgens. Und wenn die Familie sich auf den Weg ins Büro und in die Schule macht, gehe ich duschen und freue mich auf die Gleitzeit im Büro.
Im zweiten Teil berichtet Sascha über seine sportliche Entwicklung, wie er sein Training heute gestaltet und wie seine sportlichen Ziele für die Zukunft aussehen.
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